Trauma-Informiert-Leben

Auf dieser Seite finden sich authentische Fallgeschichten von Traumabetroffenen und was diese Personen im Kontakt mit helfenden Personen getriggert oder sogar ins Trauma zurückgeworfen hat. Es geht nicht darum, Menschen zu beschuldigen – vielmehr geht es darum die Komplexität und auch Langfristigkeit von Traumafolgen zu verstehen und damit umgehen zu lernen. Die Fallgeschichten dienen zur Weiterbildung. Vielen Dank an alle, die hier einen Teil ihrer Geschichte öffentlich machen. 

Triggerwarnung: Die Lebensgeschichten sind wahr und ungeschönt. Sie können Inhalte enthalten, die triggern. Im Rahmen der eigenen Verantwortung bitte nur weiterlesen, wenn du dich stabil genug fühlst.

Fall 1: Nie wieder ins Krankenhaus (Autorin: Anette H.)

Rechtsherzkatheter 2013

RE-Traumatisierung im Krankenhaus, oder was alles schieflaufen kann!

Um 10 Uhr musste ich mich zum Legen des Herzkatheters im KH einfinden. Meine Laborwerte hatte ich bereits ins Krankenhaus faxen lassen um eine weitere Blutentnahme zu vermeiden. Ich denke ja vorausschauend, wenn es um meine kaputten Venen geht. Nach der formalen Aufnahme und einer Stunde Wartezeit am Gang, wurde ich von der Stationsärztin gebeten mit in das Arztzimmer zu kommen und dort würde Blut abgenommen werden und dann könnte ich auch etwas essen. Angeblich war keine Gerinnung bei den Werten dabei, wobei ich aber den Thrombozytenwert sah. Hä? Verstehe ich nicht.

Egal, über mich ergehen lassen…

Also doch nochmal stechen, keine Rücksicht auf die Beschaffenheit meiner kaputten Venen.

An dieser Stelle hätte ich mir einfach mehr Einfühlungsvermögen gewünscht, und dass ich nicht als Nummer XY behandelt geworden wäre, und als hätte ich eh keine Ahnung von nichts.

Der nächste Akt war das Legen der Braunüle, da die Ärztin genau die Vene wollte, welche ich für den Rechtsherzkatheter geplant hatte. Sie erklärte mir jedoch, dass der Katheter ja über die Braunüle eingeschoben wird, was mich etwas beruhigte. Ich bekam mein Essen und wurde für 3 Stunden im Zimmer eines Arztes abgestellt. Die Untersuchung fand hinter einem Vorhang statt und ich beschloss mich ein bisschen hin zu legen und zu lesen. Plötzlich hörte ich den Arzt, der anscheinend gerade ein diagnostisches Gespräch mit einem anderen Patienten außerhalb meines Vorhangs führte. Ich machte mich bemerkbar und schlug vor, dass ich draußen warten könne, bevor er hier sein Gespräch führt.

Keine Wahrung der Privatsphäre und ich fand, es ginge mich auch nichts an, worüber der Arzt mit einem anderen Patienten spricht. Es berührte mich unangenehm. Es war eine Form von „Fremdschämen“

Gegen 14 Uhr bekam ich mein Zimmer zugewiesen und angeblich sollte ich um 15 Uhr auf der Liste für den Herzkatheter stehen. Die Atemuntersuchung, welche kurz davor noch gemacht wurde, war sehr nett begleitet, von einer recht empathischen Schwester. Im Zimmer wartete ich, gegen 16 Uhr wurde hinuntergebracht, ohne jegliche Vorbereitungsspritze, die mir versprochen wurde, da ich sowieso schon das Gefühl hatte vor Angst sterben zu müssen.  Ich war aber immer noch zuversichtlich und hoffte, dass ich die Vorbereitungsspritze im Vorraum des Katheterlabors bekommen würde. Lustig war auch noch, dass der Pfleger meine Akte ansah und nach dem Aufklärungsbogen fragte, welcher angeblich nicht da war.

Es wurde dann festgestellt, dass es die verkehrte Akte war, die vorlag. So fuhr ich schon mit einem sehr gespalteten Gefühl nach unten zum Labor.

Auch in aller Hektik darf es nicht passieren, eine Akte zu vertauschen, das Vertrauen des Patienten wird damit einfach nur noch massiver erschüttert.

Voller Angst und total aufgeregt lag ich also im Bett und wartete. Im Nebenraum lag ein anderer Patient, wo es angeblich etwas komplizierter war. Ich hörte immer nur, die Gefäße sind zu verkalkt, wir kommen da mit dem Katheter nicht rein, der Shunt kann nicht vorgeschoben werden. Wir schaffen das auch nicht mit vereinten Kräften, der Chef muss geholt werden, so diskutierten die Ärzte lautstark und ich bekam jedes Wort mit.

Auch hier ist wieder zu sehen, dass es keine Privatsphäre gibt und dass andere Patienten, welche sowieso schon in Angst und Aufregung versetzt sind, sich dann noch live irgendwelche Notfälle anhören müssen, das ist einfach eine Zumutung, welche nicht sein hätte müssen. Die Wurstigkeitsspritze hätte mich sicher etwas entspannt und ich hätte es leichter nehmen können, aber die wurde ja nun auch schon vergessen.

Es dauerte ganze 3 Stunden und niemand kam auf die Idee, mir etwas zu spritzen, damit ich endlich zur Ruhe hätte kommen können und auch nicht das ganze Prozedere im Nebenzimmer mitbekommen hätte.

Meine Angst steigerte sich von Minute zu Minute und irgendwann konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, ich hätte auf und davon laufen können und schwor mir, dass sei das letzte Mal, dass ich so was mit mir machen lassen würde.

Das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit und der Ohnmacht der Götter in Weiß gegenüber katapultierte mich zentral in mein Trauma.

Um 19 Uhr wurde ich endlich in den OP geschoben und es wurde der Arm, in dem ja schon die Braunüle lag, erst mal innerlich betäubt, dann das Pflaster gelöst und knapp daneben der Katheter reingeschoben. Auch das war dem Assistenten nicht klar, dieser wollte eigentlich gleich in meine Leiste oder in die Halsvene, aber nö, meinte ich, ist nicht.

Nur vom Arm aus, das war so mit dem Chefarzt abgemacht.

Auch Dormicum im Vorfeld war abgesprochen, aber da hätte ich mich angeblich selbst auf Station drum kümmern müssen, jetzt sei es zu spät, für die „LMAA-Spritze“, das würde ja nichts mehr bringen. Dabei weiß jeder, dass jede Spritze vom Arzt angeordnet werden muss, und keine Schwester alleine Dormicum spritzen darf. Also kam ich mir schon etwas verarscht vor.

Das Gefühl nicht ernst genommen zu werden ist schrecklich und die Angst wird immer mehr.

So heulte ich die ganze Untersuchung vor mich hin, ich konnte einfach nicht mehr, meine Nerven lagen blank. Jedes Vorschieben des Katheters machte mir noch mehr Angst, weil es weh tat, ich spürte ihn bis im Herzen und hatte total Angst, dass das Herz irgendwie perforiert werden könnte. Auch beim Herausziehen ging die Angst noch nicht weg und als der Chefarzt sagte, dass der Lungenhochdruck wohl doch noch zu messen sei und zwar um das doppelte zu hoch sei, war meine Illusion geplatzt, weil ich wirklich glaubte, es sei alles weg.

Meine Tränen liefen und ich wollte nur noch aus diesem komischen OP heraus, der mir langsam auch noch Platzangst verursachte. Ich wollte weg und zwar sofort. Anstelle eines Druckverbandes wurden mir dann noch Kompressen mit dem Stauschlauch auf die Einstichstelle gepresst und ich hatte das Gefühl, mein Arm würde zu einem Ballon anschwellen.

Manchmal wünscht man sich nur, der Pfleger würde jetzt auf dieser Pritsche liegen und am eigenen Leib fühlen, wie es sich anfühlt, so unempathisch behandelt zu werden.

Nun musste noch 2 mal Blutdruck und Sauerstoffsättigung gemessen werden und dann durfte ich von dieser absolut schmalen Liege endlich wieder in mein Bett. Als ich zurückkam, suchte der Pfleger erst mal nach meiner Leisteneinstichstelle, da anscheinend nirgendwo vermerkt war, dass der Rechtsherzkatheter vom Arm aus gelegt wurde.

Es werden einem Dinge versprochen, welche dann plötzlich keine Bedeutung mehr haben, ein „no go“ für traumatisierte Menschen.

Das nicht Einhalten von Absprachen und mich für total dumm zu verkaufen bestätigte einfach nur mein Gefühl, dass ich keinem anderen Menschen trauen kann, außer mir selbst. Mein Vertrauen zu den Ärzten war erschüttert, ich war in meinem Trauma gefangen.

Kurz vorm Eingriff noch wurden die Akten vertauscht und ich war froh, dass ich noch wach war und mir nicht ausversehen ein Shunt gelegt wurde.

Es ein Unding, wenn man schon totale Angst hat, dass man keine Vorbereitungsspritze bekommt und drei Stunden zuhören muss, wie fast die gleiche Untersuchung einfach nicht klappen will. Ich wurde festgeschnallt und es interessierte niemanden, wie es mir dabei ging. Diese Hilflosigkeit war schrecklich und ich werde es nie vergessen, es war auch das letzte Mal, dass ich mich solch einer Situation ausgesetzt habe, seitdem habe ich kein Krankenhaus mehr von innen gesehen. Ich glaube ich bin voll hospitalisiert. Solange ich noch laufen und atmen kann, wird mich da auch niemand mehr hineinbekommen.

Auswirkung und Folgen:

Mich bekommt keiner mehr in ein Krankenhaus!

Ich merkte dass auch ganz doll, als meine Schilddrüsenärztin mir andauernd geraten hat, mich operieren zu lassen, ich habe eine Überfunktion der Schilddrüse. Meine Antwort war einfach „Nein“ auf gar keinen Fall. Ich komm schon klar, da nehme ich lieber 1 Tablette mehr.

Fall 2: Eine Therapeuten-Odyssey (von: Anonym)

Gerne berichte ich, denn ich habe leider mehrere schlechte Erfahrungen:
 
1. Erfahrung Tagesklinik: Ansich war die Tagesklinik sehr gut (dachte ich damals). Allerdings wusste ich hier auch noch nichts von Trauma.
Wenn ich geweint habe und mich andere trösten wollten, wurde von den Therapeuten gesagt das sollen sie nicht machen, da mein System extra in die Gefühle geht um das zu bekommen. Habe ich natürlich damals geglaubt und mein Trauma wiederholt: Ich muss es alleine mit mir ausmachen, keiner ist da.
 
2. Erfahrung EMDR und Brainspotting.
Die Therapeutin ist im Nachhinein das Schrecklichste. Hier war ich als ich von Trauma wusste und EMDR war eben die erste Methode die ich in der Recherche entdeckt habe… und soll ja eben fix gehen.
 
Nunja. Sie wirkte sehr nett.
 
Laut ihr hatte ich viele Traumata – aber ein Entwicklungstrauma: Nein.
Sie hatte mir vom Abbruch abgeraten (zu meinen Eltern), da ich dann ja meine Verlustangst pushe.
Ich habe die Warnzeichen leider lange übersehen. Bis Corona kam. Dann fing es an: Mitten in einer EMDR Sitzung hat sie mir gesagt ich solle mir einen Chip einpflanzen lassen, sie lässt bei 5G niemanden mehr mit Handy in die Praxis etc…die Pharma will uns bewusst krank machen etc etc.
 
Naja ich habe ihr gesagt dass ich mich davon abgrenzen möchte. Daraufhin kamen Sprachnachrichten ich solle doch mal nachdenken etc.
 
Sie hat mir das Gefühl gegeben ich sei ein  besonders schwerer Fall und bei allen anderen wirkt es ja so schnell. Mir ging es immer saudreckig, aber sie meinte dann bewegt sich was.
 
Nunja als ich mich dann endlich durchgerungen habe zu sagen ich komme nicht mehr, kam das Manipulative durch. Sie steckt ja so viel Energie in mich und meine Angst war wirklich shit sie hat so viele Bewertungen die muss gut sein und wenn sie mir nicht helfen kann….
 
3. Erfahrung: Die hatte ich mit einem Therapeuten. Hier habe ich von vornherein gesagt bitte langsam. Er wollte unbedingt in seinem Stil arbeiten hat mich einmal in eine Situation gebracht die mich aus der Bahn geworfen hat. Er hat eine traumatische Situatuation nachgestellt. Da hätte ich auch direkt mit dem Täter sprechen können. Ich musste also total auf mich aufpassen… Dann wollte er eine weitere Methode anwenden und ich wollte das aufgrund der Erfahrung dass es mir mies damit geht, nicht machen. Da wollte dann angeblich das System nicht ran und ich muss mich dem stellen.
Naja irgendwann bin ich da gegangen.
 
4. Erfahrung: Eine weitere Therapeutin. Auch hier alles erwähnt: Achtung bitte vorsichtig. Naja auch sie hat direkt in der ersten Stunde mit mir mit was anderem gearbeitet. Viel zu viel. Mein Wunsch, den Verlauf der Therapie an meine Möglichkeiten anzupassen, wurde nicht gehört. Also auch da wieder weg…
 
Ihr könnt Euch vorstellen wie, verzweifelt ich war.
 

Fall 3: Verraten von der Schule und den eigenen Freunden (von: Isabel)

Ok 🙂

Dazu sollte man wissen, dass ich von früher Kindheit an von schwerer Gewalt betroffen war. Körperlich und sexuelle. Ich wurde schwer sexuell missbraucht und vergewaltigt von mehreren Männern und das über 1000 Mal.

Jetzt zur Geschichte:

Ich war das Schuljahr 2021/2022 über in einem berufsvorbereitenden Schuljahr extra für eingeschränkte Menschen. Wir haben uns alle super verstanden, haben auch unsere Probleme gewusst. Mit meinem Hintergrund des Missbrauchs war ich alleine, jedoch haben es alle versucht zu verstehen und auf mich Rücksicht zu nehmen. Eines Tages kam ein neuer Schüler zu uns, ein wenig älter als der Rest von uns. (Wir waren 18-20, er Mitte 20).

Ich bot ihm an ihm alles zu zeigen.

Er hat mich begrabscht und ich sagte nein, sehr deutlich. Er hat mich noch ein zweites Mal angefasst. Die Schule hat nichts unternommen, nur „Gespräche geführt“ und sah sich aus welchen Gründen auch immer nicht in der Position ihn der Schule zu verweisen.

Aber die Geschichte endet hier noch nicht. Ich hatte dort 2 enge Freundinnen. Doch zwischen uns kriselte es, da ich sehr dünn bin wegen meiner Kindheit da ich unter anderem nicht viel essen durfte da die Täter mich dünn haben wollten. Ich hatte also Probleme mit dem Essen und da die 2 neidisch waren auf meine Figur (ich wiege 40 Kg bei 1,68) haben sie mich immer zu kalorienarmen Lebensmitteln versucht zu überreden. Ich nahm also Abstand. Dennoch sagten mir die 2 nach den Vorfällen des Typen, er sei ein Arsch und wir ignorieren ihn und sie seien für mich da. Ich ersischt sie dabei wie sie mit ihm hinter meinem Rücken lachten, Spaß hatten und eine von denen zeichnete ihm sogar noch ein Bild. Sie waren neidisch, da ich „immer Aufmerksamkeit von Typen bekommen würde“. Ich habe das BVB anschließend abgebrochen.

Was ich mir damals gewünscht hätte?

Also von der Schule einfach dass sie das Thema ernst nehmen und das Mindeste tun, nämlich die Person der Schule zu verweisen. Von meinen Freunden, dass sie sich wie Freunde und nicht wie das Gegenteil verhalten hätten. Von der Gesellschft, dass einfach jemand hilft und nicht weg guckt.

Das hätte ich mir als Kind sehr gewünscht.

Hier könnte Deine Geschichte stehen:

Wenn es dir ähnlich ging und du eine Begegnung im Alltag erlebt hast, die für dich als traumabetroffene Person schwierig bis retraumatisierend war, schreib´ mir gern an: post@trauma-informiert-leben.de

Wir sind hier um zu lernen – jede weitere Geschichte hilft, Trauma und Traumafolgen zu verstehen.