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Traumaintegration – wie funktioniert das?

Traumaintegration - Schriftzug vor dunklem Hintergrund

Du möchtest gern wissen, wie Traumaintegration funktioniert? Da bist Du nicht allein – dies ist eine der häufigsten Fragen, die an mich herangetragen wird und in diesem Beitrag möchte ich alle mir möglichen Facetten der Integration von Trauma beleuchten. Eins vorab – Traumaintegration gelingt in erster Linie, indem Du für Dich in einer positiven und auch energischen Art und Weise dran bleibst. Es gibt viele und vor allem für jeden einen Weg.

Begriffsklärung Traumaintegration

Der Begriff Traumaintegration wird heutzutage recht flüssig verwendet. Da sagt man so salopp dahin: „Das Trauma muss integriert werden.“ Dabei ist diese Phrase für viele Betroffene so schwammig, wie ein Eimer zäher Schlamm. Voneinander entkoppelt geht es um die Begriffe Trauma und Integration.

Von einem Trauma sprechen wir, wenn ein oder mehrere Ereignisse in ihrer Heftigkeit die Fähigkeiten des Organismus übersteigen, angemessen und physiologisch darauf zu reagieren. Als Anpassungsstrategien folgen Kampf, Flucht oder Schockstarre mit vielfältigen Ausprägungen im Alltag. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein mechanisches, ein emotionales oder ein transgenerationales Trauma handelt. Ein Trauma stellt immer eine Überforderung dar, diese Überforderungen dürfen und müssen integriert werden.

Integration zielt auf die Wiederherstellung der Einheit, in dem Fall des Körpers in seiner Gesamtheit als physischer Körper und der Psyche. Es geht um die Vervollständigung einzelner, vielleicht voneinander getrennter Inhalte zu einem großen Ganzen. Das bedeutet insofern auch, dass es bei der Traumaintegration darum geht, die Geschehnisse in den Lauf des ganzen eigenen Lebens einzusortieren.

Wo beginnt der Prozess der Traumaintegration?

Streng genommen beim erschütternden Ereignis. Gäbe es dieses Ereignis nicht, würde uns kaum die Frage der Integration bewegen. Ein solches traumatisches Ereignis bringt unfassbar viel Leid, unfassbar viel Veränderung in das Leben eines Menschen und nicht selten kommt es daraufhin permanent zu erschöpfenden und grenzwertigen Erfahrungen.

Plötzlich funktioniert der Alltag nicht mehr, plötzlich funktionieren Beziehungen nicht mehr. Nichts ist wie es einmal war. Das allein zu begreifen, ist ein harter Einschnitt im Leben eines Menschen. Ein Leidensdruck sondersgleichen entsteht. Dann beginnen sich die Menschen dies zu akzeptieren und auf die Suche nach Lösungen zu begeben, setzen sich mit sich, dem Geschehen und dem Leben im Allgemeinen auseinander. Der erste Schritt auf dem Weg der Integration ist geschafft.

Doch was genau ist es jetzt, was da integriert werden möchte?

Und an diesem Punkt beißt sich bereits die Katze sprichwörtlich in den Schwanz. Die Beobachtung der Praxis zeigt, dass ein klassisches, wie in der Literatur beschriebenes Monotrauma in der Realität kaum vorkommt. Wo soll man also schlüssig mit der Traumaintegration beginnen?

Vielmehr erlebe ich in meiner therapeutischen Praxis eine Durchmischung der Traumakategorien. Da kommen Menschen mit einem Schocktrauma, vielleicht einem Autounfall aus der jüngeren Vergangenheit und im Verlauf der Therapie tritt plötzlich noch ein Bindungsthema oder Entwicklungstrauma, nicht selten gar ein transgenerationeles Trauma hervor.

Bewusstsein über traumatische Zusammenhänge

Auf dem Weg der Traumaintegration ist also eine wichtige Etappe, ein Bewusstsein über die Dinge zu entwickeln. Mit Dinge meine ich: Wer bin ich? Wo lebe ich? In welchen familiären und gesellschaftlichen Umständen bin ich aufgewachsen? Was für Beziehungen lebe ich? Wieviel Kraft und Potential habe ich, Vergangenes einzuordnen? Was kann ich tun, um mehr von dieser transformierenden Kraft zu bekommen?

Wieviel Entscheidungskraft habe ich – mich aus der Rolle eines möglichen Opfers in eine aktive, forschende, bearbeitende und akezeptierende Rolle hineinzubewegen? Und nicht zuletzt: Sind traumatisierende Umstände beendet? Kurzum, sind Beziehungen beendet, die entweder als solche traumatisierend, triggernd und damit möglicherweise retraumatisierend  wirkten? Oder wurden zumindest klare Grenzen gesetzt, um sich vor erneuten Übergriffen zu schützen? Andernfalls kann Integration natürlich nicht stattfinden.

Was ist eigentlich das Ziel einer Traumaintegration?

Fragt man Betroffene, so wünschen sich die meisten eigentlich einfach nur in Frieden ihr Leben gestalten zu dürfen. Also einer geregelten Arbeit nachgehen, in einer erfüllenden Beziehung leben zu können und vielleicht einem Hobby nachgehen zu können.

Das Ziel der Traumaintegration ist also das Wiederherstellen eines ausgewogenen Lebens.

Traumaintegration
4 Schritte zur Traumaintegration

Dazu gehört sowohl das komplette physische und auch psychische Spektrum allen voran gehört dazu die Selbstregulation im Nervensystem. Denn nur wenn ein Organismus regulieren kann, ist er in der Lage eben jene Zustände zu meistern, unter denen von Trauma Betroffene leiden.

Nochmal kurz zurück: Überlebensstrategien wie Kampf, Flucht und Schockstarre sind dadurch gekennzeichnet, dass Betroffene zumeist in entweder zu hoher oder zu niedriger Erregung hängenbleiben, was dazu führt, dass selbst kleinste alltägliche Dinge zu unüberwindbaren Hürden werden. (mit der Tram fahren, ein Pudding kochen, Wäsche waschen etc.)

Und wieder vor: Das heißt im Umkehrschluß, wenn ein Nervensystem regulieren kann, dann ist der Mensch in der Lage:

  • Bedürfnisse zu spüren
  • Ziele zu entwickeln
  • Ideen zu entwickeln und auch in Taten umzusetzen
  • jedes unverhoffte Ereignis zu erfassen und angemessen darauf zu reagieren
  • Momente der hohen und niedrigen Erregung erlauben, ein gesundes und stetes Auf und Ab
  • sich körperlich zu belasten und damit leistungsfähig zu sein
  • Ressourcen zu nutzen und sich zu entspannen
  • gesunde Beziehungen zu leben

Diese Liste wäre unendlich erweiterbar, ich denke aber, Du hast eine Idee bekommen, was sich hinter einem gesunden Körperleben und Erleben verbirgt.

Möglichkeiten, um die Selbstregulation zu fördern

Der breite Nährboden einer gelungenen Traumaintegration ist die Selbstregulation im Nervensystem. Nur im regulierten Zustand ist es möglich, Vergangenes tatsächlich aufzuarbeiten und eben nicht einfach nur mit einer weiteren Strategie oder einem magischen Glaubenssatz darauf zu reagieren.

Selbstregulation wird im Allgemeinen durch alles gefördert, was Dir gut tut. Das könnte zum Beispiel folgendes sein:

  • ein entspannendes Wannenbad
  • ein Spaziergang in der Natur
  • Sport im Freien
  • ein schönes Gespräch mit einer aufrichtigen, authentischen Person
  • sich um ein Tier kümmern, Umgang mit einem Tier
  • ein Hobby, dass sich um Naturmaterialien dreht (Holzarbeiten)
  • Singen
  • rhythmische Gymnastik oder Tanzen
  • Yoga

Je ausgedehnter die Wohlfühlphasen sind, desto eher lassen sich überwältigende Ereignisse in kleinen Portionen anschauen und verarbeiten. Je mehr Du Dich in Deiner Freizeit also angenehmen und aufladenden Dingen widmest, desto eher besteht die Chance, Belastendes wirklich hinter sich zu lassen und eben nicht allein in Vermeidungsstrategien zu enden.

Therapie zur Traumaintegration

Welchen Stellenwert haben Therapien im Prozess der Traumaintegration?

Einen sehr hohen. In der Therapie besteht die Chance, mit Hilfe einer außenstehenden Person, eine andere Sicht auf die Dinge zu bekommen. Zudem hilft der Therapeut, Vermeidungsstrategien zu erkennen, sie abzubauen und sie durch angenehmere Verhaltensweisen zu ersetzen. Ohne Therapeuten würden von Trauma Betroffene wahrscheinlich viel länger in Überlebensstrategien verharren. Möglicherweise sogar in der inneren festen Überzeugung, dass alles in Ordnung ist – aber da kämen wir direkt wieder zum Anfang des Textes, zur Bewusstwerdung über die Dinge oder eben gefangen sein in Umständen.

Bei der Traumaintegration geht es also um die Bewusstwerdung, worum es im eigenen Leben eigentlich wirklich geht. Therapeuten helfen dabei, genau dieses Bewusstsein zu entwickeln. Vor allem aber unterstützen sie Dich in der Kleinschrittigkeit, die ein solcher Prozess nun mal braucht. Echte Traumaintegration endet immer in einem besseren Wohlgefühl, in erleichterten Alltagsabläufen oder einfach besseren Gefühlen – jedoch nie in einer weiteren Überforderung.

Wann ist die Traumaintegration abgeschlossen?

Ein ganz banaler Hinweis ist der, dass der Wunsch oder gar Drang in eine Therapie zu gehen, verschwindet. Was im Umkehrschluss auf mehr Eigenkompetenz, bessere Alltagskompetenzen und eine gesunde Regulationsfähigkeit hinweist.

Als integriert kann man ein traumatisches Erlebnis dann bezeichnen, wenn es seinen Platz im Lebenslauf bekommen hat und dort nicht mehr gegen die Person und ihr Leben wirkt. Das heißt, die Person kann nun ohne Beeinträchtigung über das Ereignis berichten. (ist ein Ereignis nicht vollständig integriert, werden Erzählende oft von Gefühlen wie Wut, Traurigkeit oder Scham ergriffen).

Ein Ereignis ist integriert, wenn sich der Alltag der Betroffenen Person automatisch wieder mit sinnvollen und lebensbejahenden Inhalten füllt.

Weiterführende Links:

Wenn Du mehr über das Thema Regulation und Trauma lesen möchtest, dann schau´ Dir doch gern gleich noch meinen Beitrag zum „Window of Tolerance“ an.

Wenn Dich in diesem Zuge das Thema Polyvagaltheorie und Selbstregulation interessiert – kann ich Dir wärmstens mein eigenes Selbsthilfe-Buch empfehlen. Du kannst das gern gleich hier bei Amazon bestellen – dafür einfach nur auf das Cover klicken (Werbung):

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